Welche Ansprüche bestehen nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall, wie z.B. einem Auffahrunfall? Wenn Autofahrer unverschuldet an einem Unfall beteiligt sind, sollten diese umgehend die Leistungen eines Anwalts in Anspruch nehmen. Kosten fallen für den anwaltlichen Beistand nicht an, solange der Unfall von dem Geschädigten nicht verschuldet wurde. Die Anwaltskosten trägt also Grundsätzlich der Unfallverursacher und sein Versicherer. Ohne rechtlichen Beistand riskieren die Betroffenen, für ihre Schäden nicht vollständig kompensiert zu werden.
Ein Fachanwalt für Verkehrsrecht kann ermitteln, welche Ansprüche die Geschädigten geltend machen können. Ob Haushaltsführungsschäden, der „merkantile Minderwert“ oder fiktive Reparaturkosten. Ein versierter Anwalt ist mit dem Repertoire an Kürzungsmöglichkeiten der Versicherer bestens Vertraut, welche im Folgenden Artikel dargestellt werden:
Der Standardfall: Auffahrunfall
Dem Grundsatz nach haftet der Auffahrende für alle aufkommenden Schäden. Es gilt der sogenannte Anscheinsbeweis zu Lasten des Schädigers. Immer wieder versuchen Schädiger den Beweis des ersten Anscheins argumentativ zu widerlegen.
Ein Beispiel hierfür ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.12.2016, VI ZR 32/16, bei dem der Auffahrende die Behauptung aufstellte, der Vorausfahrende habe unmittelbar vor dem Unfall einen Spurwechsel durchgeführt, welches die eigentliche Unfallursache gewesen sein soll. Da der Schädiger diese Behauptung nicht beweisen konnte, hatte er die volle Verantwortung für den Unfall zu übernehmen.
Unfallgeschädigte kennen ihre Rechte nicht
Macht der Versicherer des Unfallverursachers dem Geschädigten bereits kurze Zeit nach dem Unfall ein Angebot, muss der Betroffene dieses genau prüfen. Oftmals verfolgen die Sachbearbeiter der Versicherer das Ziel, die geschuldete Entschädigung geringer anzusetzen.
Der Betroffene sollte bestenfalls einen Fachanwalt im Bereich Verkehrsrecht mit der Vertretung beauftragen. Ein guter Anwalt wird dem Betroffenen neben der anwaltlichen Vertretung auch einen unabhängigen und kompetenten Schadenssachverständigen empfehlen, der gemeinsam mit dem Anwalt an der Durchsetzung möglichst hoher Zahlungen arbeiten wird.
Tipp vom Anwalt:
Keineswegs sollte der Geschädigte einen Sachverständigen des gegnerischen Versicherers beauftragen. Dieser verfolgt in der Regel nur die Interessen der Gegenseite.
Unterschiedliche Regulierungsansätze der Versicherungen
Die Versicherungsunternehmen versuchen bei jedem Verkehrsunfall, möglichst geringe Entschädigungsleistungen zu entrichten.
Schon bei der ersten Kontaktaufnahme wird der Betroffene mit Versprechen überhäuft, der Versicherer werde für alle Kosten aufkommen, werde sich um alle Fragen und Probleme kümmern. Tatsächlich zielen solche Zusagen nur auf die Ablenkung des Geschädigten von der Tatsache, dass er einen Anwalt benötigt, der seine Rechte vertritt und die Regulierungsentscheidungen des Versicherers überprüft. Allein aus diesem Grund wird die sorgenfreie Klärung des Unfalls angeboten.
Die Versicherungen sparen durch dieses Vorgehen Kosten ein, weil der Unfallgeschädigte wahrscheinlich nicht alle Ansprüche kennt. Keine Zweifel bestehen darin, dass die Versicherungssachbearbeiter der Versicherungsgesellschaften über ein umfassendes Know-how und Erfahrung im einschlägigen Bereich verfügen. Die Unfallabwicklung findet ohne rechtlichen Beistand daher nie auf Augenhöhe mit dem Betroffenen statt.
Rechtlicher Rat lohnt sich auch bei kleinen Schäden
Auch wenn die Schuldfrage geklärt ist und die Versicherung ankündigt, für alle Schäden aufzukommen, empfiehlt es sich einen Anwalt beizuziehen.
Jeder geschädigten Partei steht das Recht zu, einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu beauftragen. Die anfallenden Kosten müssen von der gegnerischen Partei getragen werden, sofern der Geschädigte Verursachungsbeitrag am Unfall trifft. Die Schadenshöhe spielt für die Kostenübernahme keine Rolle. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bezeichnete es sogar als fahrlässig, einen Rechtsanwalt nicht beiziehen zu wollen (Az. 22 U 171/13).
Trifft den am Unfall Beteiligten allerdings eine Teilschuld, so muss dieser eine prozentuale Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen. Ist die Frage der Teilschuld noch nicht geklärt, empfiehlt es sich besonders einen Rechtsanwalt zu konsultieren, um eine Übervorteilung zu verhindern.
Eigenständig ein Gutachten erstellen lassen
Der Geschädigte hat das Recht, selbst ein Gutachten bei einem eigens ausgesuchten Sachverständigen in Auftrag zu geben. Die Kosten trägt grundsätzlich die Versicherung des Verkehrsunfallverursachers. Im Gegensatz zu den Anwaltskosten ist die Schadenshöhe für Gutachten jedoch von Bedeutung. Damit der Versicherer zu der Zahlung von Sachverständigenkosten bewegt werden kann, sollte der Fahrzeugschaden über den Bagatellbereich hinausgehen. Anderenfalls kann lediglich die Erstattung der Kosten für einen Kostenvoranschlag bei einer markengebundenen Fachwerkstatt gefordert werden. Viele Kfz-Werkstätten erstellen Kostenvoranschläge sogar unentgeltlich.
Tipp vom Anwalt:
Besteht die Vermutung, dass der Fahrzeugschaden den Bereich zwischen 750,00 EUR und 1.000,00 EUR unterschreiten wird, ist zunächst zur Einholung eines Kostenvoranschlags zu raten. Sollte der Betrag die genannte Spanne doch überschreiten, dass kann ein Gutachter nachträglich beigezogen werden.
Nachbegutachtung durch Versicherer zulassen?
Häufig fordern die Versicherer, obwohl der Geschädigte bereits ein eigenes Schadensgutachten eingereicht hat, eine Nachbesichtigung. Vereinzelt wird sogar die Zahlung der berechtigten Forderungen unter die Bedingung der Ermöglichung einer Nachbegutachtung gesetzt.
Nicht zuletzt resultiert aus dem häufig unberechtigten Nachbegutachtungsverlangen eine Regulierungsverzögerung. In der Regel haben die Versicherungsgesellschaften maximal vier bis sechs Wochen Zeit, um den Schadensfall endgültig zu regulieren. Einige Gerichte sind sogar noch strenger und argumentieren mit der voranschreitenden Digitalisierung. Demnach muss es jedem Versicherer möglich sein einen Fall auch drei Wochen nach Vorlage aller notwendiger Informationen zu regulieren.
Insofern hat der Geschädigte zahlreiche Möglichkeiten die Problematik zu umschiffen. Eine davon ist, das Fahrzeug nach Einholung des Gutachtens zu reparieren. Da eine nachträgliche Begutachtung nach erfolgter Reparatur nicht mehr vorgenommen werden kann, stufen manche Versicherungen diese mangelnde Überprüfungsmöglichkeit als Beweisvereitelung ein. Allerdings beurteilen die Gerichte diese Angelegenheit anders. Eine sofortige Reparatur des beschädigten PKW kann auch dem Versicherer zu Gute kommen, da in Einzelfällen die von dem Versicherer zu zahlende Nutzungsausfallentschädigung oder Mietwagenkosten in diesem Zusammenhang geringer ausfallen.
Typische Einwände der Versicherer nach einem Verkehrsunfall
Die Versicherer arbeiten ferner häufig mit sog. Werkstattverweisen, sofern der Geschädigte seinen Fahrzeugschaden zunächst nur fiktiv abrechnet.
Wenn die Versicherung die Instandsetzung des schadhaften Fahrzeugs in einer freien Werkstätte vorschlägt, muss sich die Werkstatt für den Geschädigten mühelos erreichbar sein. Hierzu ist zu beachten, dass der Verweis an die günstigere freie Werkstatt für die tatsächliche Reparatur nicht zwingend herangezogen werden muss. Der Werkstattverweis wird regelmäßig für die Berechnung von günstigeren Stundenverrechnungssätzen und damit die Kürzung der fiktiven Reparaturkosten verwendet. Die tatsächliche Reparatur gemäß Gutachten kann der Geschädigte auch in einer Werkstatt seiner Wahl durchführen lassen. Der Schädiger ist nach der Vorlage der Reparaturrechnung grundsätzlich zur Zahlung der vollen Reparaturkosten verpflichtet.
Tipp vom Anwalt:
Der Geschädigte darf auch eine deutlich kostengünstigere Reparatur an seinem Fahrzeug durchführen lassen und den übrigen Betrag behalten bzw. für andere Zwecke verwenden. Selbstverständlich sollte die niedrigere Rechnung nicht bei dem gegnerischen Versicherer vorgelegt werden.
Auch die sog. Beilackierungskosten sind ein häufiges Streitthema zwischen den Geschädigten und den Versicherern. Müssen ausgetauschte Fahrzeugteile neu lackiert werden, stimmt die Farbe in der Regel nicht mit derjenigen der daneben liegenden Karosserieteile überein, da diese alterungsbedingt verblichen sind.
Damit der visuelle Übergang nicht offensichtlich ist, streichen die Mitarbeitenden in der Werkstatt ebenfalls die Ränder oder anliegenden Karosserieteile neu. Häufig muss der Versicherer auch diese Arbeiten fiktiv erstatten, so der BGH in seiner Entscheidung vom 17.09.2019 (BGH VI ZR 396/18). Ist die Notwendigkeit der Beilackierung überwiegend wahrscheinlich, so sind diese Kosten auch fiktiv zu erstatten.
Tipp vom Anwalt:
Auch bei Streitigkeiten um die Kosten der Beilackierung zeigt sich, wie wichtig es ist einen eigenen Schadenssachverständigen zu beauftragen. Der für den Versicherer tätige Gutachter wird diese Position in den meisten Fällen schlichtweg nicht in das eigene Gutachten aufnehmen. Demnach wird der Geschädigte ohne Fachkenntnisse in der Regel nicht merken, dass diese Position fehlt. Hält der eigene Sachverständige die Beilackierung für erforderlich, so ist die Bestätigung im Gutachten bereits der erste Schritt in Richtung der Notwendigkeit der Arbeiten im Sinne der BGH Rechtsprechung.
Nach einem Unfall ist der Wert reparierter Fahrzeuge niedriger als derjenige eines unfallfreien Fahrzeugs. Die Versicherung hat diesen Wertverlust, auch Wertminderung oder merkantiler Minderwert genannt zu kompensieren. Das Vorhandensein zahlreicher Berechnungsmethoden macht es für den Versicherer einfach den, von dem Gutachter ermittelten Minderwert zu kürzen. Häufig stellt sich die Frage, ob ein kalkulatorischer Durchschnitt aus den gängigen Methoden heranzuziehen ist. Auch hier ist selbsterklärend, dass ohne einen eigenen unabhängigen Gutachter und auch ohne Rechtsanwalt es kaum möglich sein wird, eine angemessene Entschädigung zu erhalten.
Weitere häufige Streitpunkte bei der Unfallregulierung:
- Verbringungskosten zu einem Lackierbetrieb
- Aufschläge auf die unverbindliche Preisempfehlung (UPE Aufschläge) der Fahrzeugteilehersteller
- (Fiktive) Mietwagenkosten, auch Nutzungsausfallentschädigung genannt
- Abschleppkosten
- Standkosten
- Wiederbeschaffungswert bei Totalschäden
- Restwert des beschädigten Fahrzeugs bei wirtschaftlichem Totalschaden
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