Eigenbedarfskündigung – Was ist zu beachten? einfache Tipps vom Anwalt

Michael Kehren

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Inhalt

Der häufigste Kündigungsgrund, den Vermieter für eine ordentliche Kündigung eines bestehenden Mietverhältnisses heranziehen, ist der sog. Eigenbedarf. Wird eine Eigenbedarfskündigung ohne Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin erklärt, besteht das Risiko vermeidbare Fehler zu machen. 

Dieser Artikel dreht sich um die Frage: Wann ist eine Eigenbedarfskündigung möglich?

Die wichtigsten Gesichtspunkte für eine wirksame Eigenbedarfskündigung möchten wir als Fachanwälte für Miet- und Wohnungseigentumsrecht nachfolgend aufzeigen:

Was bedeutet eigentlich „Eigenbedarf“ im Mietrecht?

Das Gesetz nennt den Begriff Eigenbedarf nicht. Nach § 573 Abs.2 Nr. 2 BGB hat der Vermieter vielmehr das nach dem Gesetzt erforderliche „berechtigte Interesse“ an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn „der Vermieter die Mietwohnung des Mieters für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Hausstands benötigt“.

Dies kann auch der Fall sein, wenn der Vermieter die Wohnung für seine berufliche Arbeit benötigt und er deshalb die Mieträume als Gewerberäume nutzen will (BGH 26.09.2012 Az. VIII ZR 330/11). Aber auch wenn der Vermieter sich eine Wohnung kauft, um dort seinen Altersruhesitz zu begründen oder wenn die Eltern kündigen, um die Wohnung ihrem Kind zu überlassen oder wenn der Vermieter im eigenen Haus leben will, um das Haus verwalten zu können, ist eine Eigenbedarfskündigung möglich (BGH 20.01.1988 Az. VIII ARZ 4/87).

Wer sind die „Bedarfspersonen“ für den Eigenbedarf ?

Zunächst ist Voraussetzung einer Kündigung wegen Eigenbedarfs, dass es eine Person gibt, für die die Wohnung benötigt wird. Von der Rechtsprechung wurde der Kreis der Personen, für die Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, immer weiter ausgeweitet. Es kommen nicht nur Angehörige, also enge Verwandte, sondern auch weitere Personen, die eine enge persönliche Bindung zu dem Vermieter haben, in Betracht.

  • Zunächst darf der Vermieter für sich selbst Eigenbedarf anmelden. Sind mehrere Personen der Vermieter, dann reicht es aus, wenn der Eigenbedarfsgrund in der Person eines Vermieters gegeben ist
  • Auch für Familienangehörige kann der Vermieter Eigenbedarf anmelden. Hierzu zählen Eltern, Kinder, Enkel, Geschwister, die leiblichen Nichten und Neffen, sowie der Schwager des Vermieters. Auch der Ehegatte, Verlobte, Lebenspartner, Stiefkinder und Schwiegereltern zählen zu den eigenbedarfsberechtigten Personen. Der Vermieter kann auch für die Kinder seiner Geschwister Eigenbedarf geltend machen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob eine besondere persönliche Beziehung oder soziale Bindung zum Vermieter besteht (BGH 27.01.2010 Az. VIII ZR 159/09). Sind mehrere Personen der Vermieter, dann reicht es aus, wenn die Bedarfsperson nur Familienangehöriger usw. eines der Vermieter ist.
  • Haushaltsangehörige sind alle Personen, die der Vermieter bereits seit längerer Zeit und auf Dauer in seinen Haushalt aufgenommen hat. Hierzu zählen vor allem Fälle, in denen der Vermieter eine Pflegeperson benötigt. Der Vermieter kann hierzu auch eine größere Wohnung für sich beanspruchen, um die Pflegekraft bei sich aufzunehmen, oder eine Wohnung zur Nutzung allein für die Pflegekraft kündigen. Der Pflegebedarf muss noch akut bestehen. Es reicht aus, wenn der Vermieter in naher Zukunft eine Person für die Pflege benötigt. Die Pflegeperson muss noch nicht in der Eigenbedarfskündigung benannt werden (LG Potsdam 03.11.2005 Az. 11 S 146/05). Es muss aber der Grund und die Notwendigkeit der Pflegebedürftigkeit in der Kündigung angegeben werden.

 

Was bedeutet „benötigen“?

Weitere Voraussetzung nach dem Wortlaut des Gesetzes ist, dass der Vermieter die Wohnung „benötigt“. Dass bedeutet, dass er die Absicht haben, die Wohnung selbst oder durch eine der Bedarfspersonen zu nutzen.

Die Gerichte dürfen jedoch nicht ihre Vorstellungen an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters setzen, sondern nur prüfen, ob der Eigennutzungswunsch ernsthaft verfolgt und von nachvollziehbaren Gründen getragen wird (BGH 22.05.2019 Az. VIII ZR 180/18).
Ein „Benötigen“ ist jedoch zu verneinen, wenn der Wohnbedarf weit überhöht ist, die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters nicht erfüllen kann oder der Wohnbedarf in einer anderen, freien Wohnung des Vermieters ohne Abstriche erfüllt werden kann (BGH 23.08.2016 Az. VIII ZR 178/15)

Das Gericht nimmt dann eine Interessenabwägung zwischen dem Eigennutzungswunsch des Vermieters und dem Bestandsinteresse des Mieters vor. Die entsprechende Kündigung ist unbegründet, wenn das Eigennutzungsinteresse des Vermieters nur ein unerhebliches Gewicht hat.

 

Einzelfälle:

 

  • Sind für Baumaßnahmen erforderlich, muss die Baugenehmigung bei Ausspruch der Kündigung noch nicht vorliegen. Im Rechtsstreit kann es aber erforderlich sein, zumindest einen Bauvorbescheid vorzulegen. Wird die Baumaßnahme nicht alsbald nach Ausspruch der Eigenbedarfskündigung durchgeführt, kann das gegen einen Selbstnutzungswillen des Vermieters sprechen (BVerfG 26.09.2001 Az. 1 BvR 1185/01).
  • Die Zusammenlegung zweier Wohnungen, die der Vermieter beziehen will, kann ein Eigenbedarfsgrund sein.
  • Eine erhebliche Verkürzung des Arbeitsweges kann eine Eigenbedarfskündigung rechtfertigen (BVerfG 20.05.1999 Az. 1 BvR 29/99).
  • Die Nutzung einer Wohnung als Arbeitsraum begründet keinen Eigenbedarf, da Eigenbedarf die Nutzung als Wohnraum voraussetzt. Dennoch kann ein „begründetes Interesse“ an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen (BGH 05.10.2005 Az. VIII ZR 127/05).
 

Das Gericht darf nicht prüfen, ob der Wohnbedarf, den der Vermieter für sich geltend macht, angemessen ist. Der Wohnbedarf darf aber nicht missbräuchlich sein, da er z.B. etwa weit überhöht ist. Unerheblich ist aber, wenn der Vermieter die Wohnung nur als Zweitwohnung (BGH 22.08.2017 Az. VIII ZR 19/17) oder nur 2-4 Wochen im Jahr als Ferienwohnung (BGH 21.08.2018 Az. VIII ZR 186/17) oder nur für einen begrenzten Zeitraum nutzen will. Es gibt auch keinen festgelegten Richtwert, welche Wohnungsgröße für eine Person angemessen ist (BGH 04.03.2015 Az. VIII ZR 166/14). Es reicht aus, wenn der Vermieter eine Wohnung, die er gekauft hat, beziehen will, weil er nicht mehr zur Miete, sondern im eigenen Haus leben will (BVerfG 11.11.1993 Az. 1 BvR 696/93). Anders ist es aber unter Umständen bereits, wenn der Vermieter zuerst einen Mietvertrag abgeschlossen hat und sich nachträglich entscheidet, nun in seiner eigenen Wohnung wohnen zu wollen. Der Eigenbedarf des Vermieters kann auch darauf beruhen, dass er in Trennungsabsicht die Ehewohnung verlassen will.

Mitteilungspflicht bei Wegfall des Eigenbedarfs

Entfällt der Grund der Kündigung wegen Eigenbedarf im Nachhinein, so ist das nur dann zu berücksichtigen, wenn der Grund vor dem Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist. Dann ist der Vermieter zu einer Mitteilung an den Mieter verpflichtet. Die Informationspflicht besteht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, weil dann das Mietverhältnis beendet ist und keine Treuepflicht mehr besteht (BGH 09.11.2005 Az. VIII ZR 339/04). Kommt der Vermieter seiner Mitteilungspflicht nicht nach, kann ein Schadenersatzanspruch des Mieters entstehen.

Notwendige Begründung – Eigenbedarfskündigung Voraussetzungen

Die Kündigung wegen Eigenbedarf muss schriftlich erfolgen und begründet werden. In dem Kündigungsschreiben muss der Vermieter den Sachverhalt nachvollziehbar beschreiben und erläutern, aus welchem Anlass er den Wohnraum für sich oder einen Familienangehörigen beansprucht. Hinsichtlich der Tatsachen, die das Freimachungsinteresse des Vermieters begründen, kann er sich nicht auf den Schutz seiner Privatsphäre berufen.

a) Eigenbedarfsperson

Die Kündigung wegen Eigenbedarf muss die Bedarfsperson benennen, also für welche Person die Wohnung bestimmt ist und welches Interesse die Person an der Erlangung der Wohnung hat (BGH 15.03.2017 Az. VIII ZR 270/15). Ist die Eigenbedarfsperson jemanden anderes als der Vermieter selbst, ist anzugeben, dass diese Person mit dem Wunsch an den Vermieter herangetreten ist, die Wohnung zu nutzen und der Vermieter dies befürwortet (BGH 17.03.2010 Az. VIII ZR 70/09).

b) Eigenbedarfsgrund

Ferner ist der Eigenbedarfsgrund anzugeben. Die Gründe müssen so konkret beschrieben werden, dass sie auf Vernünftigkeit und Nachvollziehbarkeit geprüft werden können. Es ist daher nicht ausreichend anzugeben, der Vermieter benötige die Wohnung für die eigene Nutzung; auch reicht es nicht nur mitzuteilen, er wolle sie entweder dem Sohn oder der Tochter überlassen.

Will der Vermieter die Wohnung selbst nutzen, hat er seine eigene Wohnsituation in dem Kündigungsschreiben zu beschreiben.

Ist der Vermieter Eigentümer weiterer Wohnungen, muss er diese nur angeben, wenn dort frei werdende Alternativwohnungen vorhanden sind, durch die er seinen Bedarf decken oder die er zum Tausch anbieten kann (LG München, Urteil v. 29.03.1995, 14 S 14170/94).

Kündigt der Vermieter für andere Bedarfspersonen, ist deren Bedarfslage und Wohnsituation in der Eigenbedarfskündigung zu erläutern (LG Hamburg, Urteil v. 15.12.2006, 316 S 122/06). Soll die Wohnung einem Familienangehörigen überlassen werden, sind das Verwandtschaftsverhältnis und die Wohnverhältnisse anzugeben. Bei einer Krankheit der Bedarfsperson, ist zu der Art der Erkrankung vorzutragen. Bei Pflegebedarf ist die Notwendigkeit der Pflegebedürftigkeit zu beschreiben.

Ausschluss einer Kündigung wegen Eigenbedarf

Bei dem nur vorgeschobenen Eigenbedarf will der Vermieter die Mietwohnung überhaupt nicht selber nutzen, sondern schiebt Eigenbedarf als Grund nur vor, weil er z.B. einen ihm „lästigen” Mieter loswerden will. Vorangegangene Streitigkeiten, ein vorher gestelltes Mieterhöhungsverlangen usw. sind Indizien hierfür. Auch ein beabsichtigter Verkauf oder eine teurere Weitervermietung der Wohnung kann der Hintergrund für einen vorgeschobenen Eigenbedarf darstellen. Die Ernsthaftigkeit des Erlangungsinteresses ist im Mietrechtsstreit vom Vermieter darzulegen und zu beweisen. Das Gericht muss allen vom Mieter vorgetragenen Gründen nachgehen, die Zweifel an dem Eigenbedarf des Vermieters begründen.

Eine Kündigung wegen Eigenbedarf kann zudem nicht aus Gründen ausgesprochen werden, die bereits bei Abschluss des Mietvertrages bekannt waren, hier handelt es sich um vorhersehbaren Eigenbedarf. Denn es ist widersprüchlich, wenn der Vermieter die Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er bereits entschlossen ist oder zumindest überlegt, die Wohnung selbst zu nutzen oder sie einem Familienangehörigen zu überlassen. Für den künftigen Wohnbedarf eines heranwachsenden Kindes oder eines entstehenden Pflegebedarfs wird von der Rechtsprechung eine vorausschauende Planung von mehreren Jahren verlangt.

Schadenersatz bei unberechtigter Eigenbedarfskündigung

Bei einer unwirksamen Kündigung wegen Eigenbedarf kann der Mieter Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn der Eigenbedarfsgrund nicht bestand, wenn der Eigenbedarf nachträglich weggefallen ist und der Vermieter keine Mitteilung hiervon gemacht hat oder wenn die Geltendmachung des Eigenbedarfs auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung beruht.

Der Mieter kann den Wiedereinzug in die Wohnung beanspruchen, wenn die Wohnung noch nicht an einen Dritten vermietet wurde. Steht die Weitervermietung unmittelbar bevor, kann der Mieter ggf. ein Verbot der Vermietung mit einer einstweiligen Verfügung erwirken.

Der Mieter kann alle durch die Kündigung entstandenen Kosten, insbesondere die Umzugskosten, die notwendigen Kosten einer Neueinrichtung und den Zeitaufwand des Umzugs als Schadenersatz verlangen. Auch die doppelt gezahlte Miete für die neue Wohnung kann als Schaden geltend gemacht werden, oder aber die durch die Anmietung einer vergleichbaren Wohnung entstandene Mehrbelastung; bezieht der Mieter aber eine größere oder besser ausgestattete Wohnung, muss er sich Wohnwertvorteile anrechnen lassen.

Ist Ihre Eigenbedarfskündigung unwirksam?

Erkennbar ist, dass eine Kündigung zum Zweck des Eigenbedarfs sorgfältig und fachlich richtig begründet werden sollte. 

Der Mieter zieht nach Eigenbedarfskündigung nicht aus? Wir setzen die Kündigung auch gerichtlich für Sie durch. 

Gern nehmen wir auch die Mieterrechte bei Eigenbedarfskündigung wahr. 

Sollten Sie Unterstützung benötigen, stehen wir Ihnen zur Seite. Unser erfahrener Fachanwalt für Mietrecht am Standort in Hamburg unterstützt Sie gern auch bundesweit. Nehmen Sie gern mit uns Kontakt auf!

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